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Stadtverkehr in der Krise

Verstopfte Straßen, überfüllte Busse, unpünktliche Bahnen – Zahlreiche Probleme begleiten das Verkehrsaufkommen und sind eine Belastung für Mensch und Natur. Es ist Zeit, dass sich etwas ändert.

Das Verkehrsaufkommen in vielen deutschen Städten hat einen kritischen Wert erreicht. Vielerorts sind die Straßen zur Rush-Hour maßlos überfüllt und auch in der Bahn oder dem Stadtbus kommt man seinem gegenüber näher als manch einem lieb ist. Die Luft auf den Straßen wird schlechter und es lärmt an jeder Ecke. Lösungen scheinen fern und Investitionen in Infrastruktur vertagen sich mit jeder politischen Diskussion. Dennoch machen andere europäische Großstädte wie Stockholm oder London vor, wie es besser geht. Mobilität ist ein vielschichtiges Thema und Verkehrskonzepte müssen immer auf die jeweiligen Voraussetzungen angepasst werden, aber es gibt allgemeine Ansätze und Instrumente, um den Blechlawinen etwas entgegenzusetzen.

Grenzwerte
Von der Automobilindustrie gerügt, in Deutschland meist stiefmütterlich behandelt und dennoch auf oberster europäischer Ebene vorgeben, sind Grenzwerte zur Luftreinhaltung eines der sinnvollsten Mittel. Da sich viele Autofahrer gemeinhin nur am Stammtisch über die Emissionen des fahrbaren Untersatzes unterhalten und beim Fahren dann doch meist schwere Füße bekommen, sind gesetzliche Grenzwerte notwendig. Die Luft in deutschen Städten ist weiterhin so verdreckt, dass die Brüsseler Behörde bereits damit begonnen hat ein Verfahren gegen Deutschland einzuleiten.
Außerdem werden die Automobilhersteller in Zukunft wegen der Flottengrenzwerte in den sauren Apfel beißen müssen, sollten die Kunden weiterhin großvolumige Autos den genügsamen Fahrzeugmodellen vorziehen. Mit der Einführung des neuen WLTP-Testzyklus (Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedure) zur Emissionsbestimmung werden die Werte realistischer und das Einhalten der Grenzwerte schwieriger. Dennoch sollten die Autobauer, um sich selber vor Strafzahlungen zu schützen, und die Politik die Bürger in die Pflicht nehmen und das Fahren von entsprechenden Fahrzeugen durch Aufpreise und Steuern überproportional verteuern. Deutschland ist ein Autofahrerland und auch die Grenzwerte sorgen entgegen landläufiger Meinungen für die Sicherung der Marktführerschaft. Neben dem Wettbewerb und intrinsischer Motivation, sind gesetzliche Vorgaben ein Treiber von Innovationen.

ÖPNV
Der motorisierte Individualverkehr in den Städten muss abnehmen, um dem Verkehrsaufkommen wieder Herr zu werden und letztlich am Ende auch das Leben in Ballungsräumen wieder angenehmer zu machen. Neben einer unnötigen Bequemlichkeit und einem gewissen Geltungsbedürfnis der Autofahrer sind die mangelnde Attraktivität des öffentlichen Nahverkehrs ein Grund, mit dem eigenen Auto zu fahren. Es kommt vor, dass Bus und Bahn eine Zumutung sind, wenn im Regen auf den verspäteten Bus gewartet werden muss, die S-Bahn aus allen Nähten platzt, der Anschluss verpasst wird oder die Fahrweise an die letzte Achterbahnfahrt erinnert. Offensichtlich tut sich der Nahverkehr schwer damit, einen guten Dienst zu liefern und die Kunden zufriedenzustellen.
Die meisten Städte wurden nach dem Krieg für den Individualverkehr aufgebaut und es hat bis 1968 gedauert, dass eine erste Busspur in Wiesbaden eingerichtet wurde. Der Wunsch nach einem eigenen Auto steckt in der DNA der Deutschen und erst langsam gewinnen viele die Einsicht, dass der Individualverkehr für die urbane Mobilität nicht die Lösung sein kann. Ein weiterer Hemmschuh für den ÖPNV sind die unzähligen Verkehrsverbünde. Unübersichtliche Preisstrukturen und ein verwaltungstechnisch gigantischer Wasserkopf verursachen hohe Kosten und machen den öffentlichen Nahverkehr unnötig teurer. Die Verkehrsmittel Bus und Bahn stehen vor vielen Baustellen, sind aber gesellschaftlich am sinnvollsten, können damit doch zahlreiche Menschen umwelt- und ressourcenschonend von A nach B transportiert werden.

City-Maut
Ein in Deutschland häufig kritisiertes, aber dennoch wohl eines der effektivsten Mittel, den innerstädtischen Verkehr zu regulieren, sind Straßenbenutzungsgebühren. Eine City-Maut kann Autofahrer davon abbringen, mit dem eigenen Fahrzeug in die Stadt zu fahren und so sowohl das Verkehrsaufkommen als auch Emissionen reduzieren. Von dem norwegischen Bergen, über London mit der bekannten „Congestion Charge“, bis hin zur maltesischen Hauptstadt Valletta regulieren Städte den Verkehr in der Innenstadt. Neben den Einnahmen zur Förderung des Nahverkehrs oder der Infrastruktur sind Zeitersparnisse ein großer Vorteil. Zusammen mit Umweltzonen oder dem Verbot von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren, welches viele Städte planen, kann zudem Luftverschmutzung eingedämmt werden. Auch eine Mischung aus Maut und Umweltzone wie in Bologna oder Mailand kann eine Lösung sein.
Innenstädte werden somit attraktiver für Radfahrer, Fußgänger und die Anwohner. Des Weiteren werden Busse und Straßenbahnen pünktlicher und gewinnen damit an Attraktivität. Insgesamt belegen Studien eine gestiegene Zufriedenheit nach der Einführung einer City-Maut, auch wenn die Skepsis und Ablehnung auf politischer Eben im Vorhinein groß waren. Wichtig ist selbstverständlich, dass ein derartiges Instrument im Wandel bleibt und sich neuen Gegebenheiten anpasst, aber eine City-Maut kann funktionieren. Eine schnell umsetzbare Alternative zur City-Maut sind hohe Parkgebühren im innerstädtischen Bereich, sodass zumindest spätestens beim Abstellen des Autos in der Stadt ein Anreiz zum Verzicht geschaffen wird.

Radfahren
Neben dem Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, sind Investitionen in Radwege eines der wichtigsten Mittel im Kampf gegen Luftverschmutzung und Verkehrskollaps. Vor allem zu den Hauptverkehrszeiten bleibt der Verkehr links liegen und das Rad spielt seine Wendig- und Schnelligkeit aus. Wichtig ist, dass die Stadtplanung ein verkehrssicheres und gut ausgebautes Radverkehrsnetz schafft. Beim Radfahren dient London mit den sogenannten „Cycle Superhighways“ oder den „Quietways“ für Radfahrer ebenfalls als Vorbild. Die englische Metropole investiert massiv in den Radverkehr und unterstützt damit einen der nachhaltigsten Verkehrsträger. Zudem wird durch bauliche Trennung der Radwege und Vorschriften zu Lastkraftwagen, wie vorgeschriebener Sensorik, Sicherheit geschaffen. In einer Kosten-Nutzen-Analyse an der schwedischen Universität Lund hat sich gezeigt, dass Autofahrer aufgrund der Verschmutzung und hohen Investitionen in die Infrastruktur je Kilometer 20 Cent Kosten verursachen. Das Radfahren hingegen erwirtschaftet sogar einen gesamtgesellschaftlichen Nutzen von 30 Cent pro gefahrenen Kilometer, da die Infrastruktur kostengünstig und das Radfahren gesund sind. Insgesamt ist der Ausbau von Fuß- und Radwegen damit deutlich sinnvoller, als Investitionen in den Straßen.

Jetzt umsteigen
Verkehrsthemen sind weitläufig wie das australische Outback und es gibt bestimmt nicht eine, sondern eine bunte Mischung an Lösungen für die Probleme des innerstädtischen Verkehrs. Der motorisierte Individualverkehr ist eines der größten Problem und muss trotz intelligenten Verkehrsleitsystemen nach Möglichkeit reduziert werden, um das Fortbewegen in der Stadt wieder sauber und schnell zu machen. Car-Sharing kann keine echte Lösung sein, da dabei meist der Verkehr nicht reduziert, sondern der Gebrauch vom eigenen auf ein fremdes Fahrzeug verlagert wird. Ride-Sharing hingegen hat für gewisse Anwendungsfälle wie zum Beispiel bei spontanen und terminkritischen Fahrten Potenzial, wenn die Anbieter eine entsprechende Auslastung der Fahrzeuge erreichen, sodass am Ende nicht Leerfahrten oder Einzelfahrten für noch mehr Stauaufkommen sorgen.
Investitionen in einen ausgeklügelten, pünktlichen und finanzierbaren öffentlichen Nahverkehr mit schlanken Verwaltungsstrukturen sind zusammen mit dem Ausbau von Rad- und Fußwegen der beste Weg zur Reduzierung des Verkehrschaos und der Umweltverschutzung. Es bedeutet nicht länger zu warten, sondern schon jetzt umzusteigen.

Weitere Informationen
zukunft-mobilitaet.net
ADAC
nationaler-radverkehrsplan.de
ARD Mediathek
ZDF Zoom – Nahverkehr
ZDF Zoom – Auto gegen Fahrrad